Körperliche Voraussetzungen und Fitness
Eine gewisse Grundkondition ist bei Schießwettkämpfen von erheblichem Vorteil. Die Schussabgabe an sich erfordert keine große Muskelarbeit und auch an die Belastbarkeit des Herz-Kreislaufsystems werden keine extremen Anforderungen gestellt. Dennoch sind für gute Schießergebnisse eine trainierte Muskulatur in Arm, Schulter, Nacken und Rücken sehr vorteilhaft. Spätestens nach 3 Trainingseinheiten mit der Trap-Flinte wird dies deutlich.
Diese Erfahrung blieb auch mir nicht erspart. Als ich einen Tageskurs Trap mit über 300 Schuss absolvierte, wurde mir dies bewusst. Falls man nicht permanent an Wettkämpfen teilnimmt, sollte ein allgemeines Fitnesstraining für Herz-Kreislauf und Muskulatur ausreichend sein.
Ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland treibt regelmäßig Sport, sei es Jogging, Radfahren, Schwimmen oder das Training in einem Fitnessstudio. Bessere Schießergebnisse sind die Folge einer regelmäßigen sportlichen Betätigung, der erwiesenermaßen positive Effekt auf das allgemeine Wohlbefinden sei hier nur am Rande erwähnt.
Besonders deutlich wird die Problematik einer allgemeinen Fitness bei der Herstellung und Beibehaltung einer stabilen Schiessposition über längere Zeit und bei Stresssituationen, z. B. behördliche Waffenträger/Militär. Allerdings wird bei diesen Personengruppen eine körperliche Eignung vorauszusetzen sein.
Eine möglichst ruhige Waffenhaltung ist unabdingbar für eine kontrollierte Schussabgabe. Jede Armbewegung, jede Körperbewegung beeinflusst einen kontrollierten Zielvorgang. Die tragenden Strukturen unseres Körpers, das menschliche Skelett, werden durch eine trainierte Muskulatur stabilisiert. Am Beispiel des Schuss- und Unterstützungsarmes beim Kurzwaffeneinsatz wird dies sehr deutlich. Die Arme müssen unterstützt von (trainierten?) Muskeln in einer etwa waagerechten Haltung nach vorn stabilisiert werden. Die seitliche Richtung wird ohne großen Muskeleinsatz für eine Visierlinie, Auge-Kimme-Korn-Ziel, gehalten. Diese möglichst ruhige Haltung beim Schießen ist schwer zu erreichen. Einerseits sind reproduzierbare Bewegungsabläufe und Schießpositionen, die möglichst wenig Muskelunterstützung benötigen, sinnvoll (moder isoceles). Andererseits ist es praktisch unmöglich, unseren Körper vollständig ruhig zu halten. Dies ist u.a. durch den Herzschlag, die Atmung und die Magen-Darm-Peristaltik bedingt.
Die gebräuchlichen Atemtechniken bei der Schussabgabe im Wettkampf sind bekannt und können den Einfluss der Atmung reduzieren. Unser Körper versucht instinktiv, bei allen diesen Bewegungen gegenzusteuern. Durch kleinste Veränderungen der Körperposition (z. B. Arme) wird über Reflexbögen eine Gegenreaktion der Muskulatur erzeugt. Je besser unsere Muskulatur trainiert ist, je besser sich unser Herz-Kreislauf-System Stresssituationen anpassen kann, umso weniger sollten uns diese "Autoregulationen" unseres Körpers bei der Schussabgabe beeinflussen.
Diese Mechanismen treten natürlich auch bei allen anderen Schießpositionen auf. Es ist generell nicht möglich, dass wir unseren Körper komplett ruhig halten. Einen wesentlichen Einfluss haben darauf allerdings auch die Psyche, Konzentration, Ausdauer, Selbstvertrauen, und Selbstbeherrschung.
Psychologische Konditionierung
Jeder Waffennutzer kennt das
Phänomen, dass an den meisten Tagen gute Trainingsergebnisse erreicht
werden, an anderen deutlich schlechtere Schussbilder zu erkennen
sind. Obwohl gleiche äußere Bedingungen vorliegen, die gleiche Waffe und
Munition benutzt werden, treten diese Unterschiede auf. Eine Ursache
liegt in der aktuellen mentalen Verfassung des Schützen.
Ein
Schütze, der in einem nicht optimalen mentalen Zustand an einem
Wettkampf teilnimmt, kann trotz bester körperlicher Verfassung nicht mit
einer der vorderen Platzierungen rechnen.
Welche Methoden des psychologischen Trainings gibt es, um auf den Punkt mental für die zu absolvierende Aufgabe fit zu sein?
In der Praxis bieten sich 4 Trainingsbereiche an:
Atemtechnik (Atemregulation)
Visualisierung
Selbstgespräche
Meditation
Bewusstes
ständiges und systematisches mentales Training ist bei Weitem noch
keine Selbstverständlichkeit. Am häufigsten wird im professionellen
sportlichen Umfeld (Fußball, Tennis, Golf, Formel 1 etc.) mit derartigen
Methoden gearbeitet.
Wesentliche Ziele hierbei sind Motivation,
Selbstvertrauen, Wahrnehmung und Konzentration. Dies ist bei Weitem
keine umfassende Aufzählung. Bei der Schusswaffenanwendung kommen im
Wesentlichen Konzentration und Selbstvertrauen als Trainingsziel in
Frage. Diese psychischen Leistungsparameter können mit den o.g. Techniken
spezifisch beeinflusst und in gewissen Grenzen auch kontrolliert werden.
Unser
zentrales Nervensystem (ZNS) ist permanenten Veränderungen unterworfen
(Lernprozesse), die meist unterbewusst ablaufen. Diese Prozesse zu
beeinflussen und bewusst zu steuern ist Ziel jeder psychologischen
Konditionierung.
Um neue neuronale Verbindungen (Lernen!)
herzustellen, ist ähnlich dem physischen Training eine ständige
Wiederholung anzustreben. Wichtig dabei ist, von positiven Erfahrungen,
Erlebnissen und Emotionen auszugehen und diese zu vertiefen. Dabei
werden spezielle kortikale Bereiche des ZNS (Großhirnrinde) beeinflusst
und aktiviert, die den Lernprozess positiv beeinflussen. Negative
Emotionen hingegen erreichen ZNS-Areale, die speziell für Angst und
Stressreaktionen ansprechbar sind. Dies ist heute mit modernen
medizinischen Methoden nachweisbar, z.B. mit Hilfe eines
Magnetresonanztomographen (MRT).So aufwendig muss dies allerdings nicht
sein. Jeder Mensch hat seinen "privaten MRT" ständig bei sich.
Dies
geschieht u.a. in der unmittelbaren Phase vor dem Einschlafen und nach
dem Aufwachen, wenn unsere Gedanken "spazieren gehen". Lasse ich dabei
möglichst viele positive oder eher negative Gedanken und Emotionen an
mich heran? Dies ist gezielt beeinflussbar und "trainiert" die
entsprechenden Gehirnareale.
Von Bedeutung ist
ebenfalls, dass unser Unterbewusstsein keine Verneinung kennt. Bei dem
Satz "ich bin nicht nervös" vor einem Wettkampf registriert unser ZNS den
Begriff "nervös" und aktiviert die entsprechenden Gehirnareale für
Angst, Stress und eben Nervosität. Richtig müsste es heißen: "Ich bin
konzentriert, aufmerksam und motiviert".
Kennt das ZNS jetzt diese
positiven Begriffe durch eine entsprechende psychische Konditionierung,
werden diese Hirnareale sofort aktiv und unterstützen den Schützen bei
seiner Aufgabe. Dies ist unter anderem auch für private, berufliche und
gesundheitliche Bereiche bedeutsam.
Die Frage ist, wie konditioniere ich mich, eher positiv oder eher negativ?
Unser
Unterbewusstsein registriert dies sehr genau. Allerdings reicht einfach
"positives Denken" nicht aus. Die Gedanken müssen auch realistisch
sein. Wenn ich mir z.B. vorstelle, ich laufe ab nächste Woche die 100 m
unter 11 Sekunden, führt das nur zur Frustration und die entsprechenden
Gehirnareale werden aktiviert. Der oft zu hörende einfache Spruch "denk
positiv" ist somit meist sinnlos und kontraproduktiv.
Ein
beeindruckendes Beispiel für mentale Stärke und Konzentration lieferte
Steffi Graf bei einem ihrer Grand-Slam-Finale, als sie sich derart und
nur auf den nächsten Punkt konzentrierte und alles andere ausblendete,
dass sie weiterspielen wollte und nicht bemerkte, dass sie das Match
bereits gewonnen hatte. Erst die Kampfrichter konnten sie bremsen.
Derartige
mentale und psychische Konditionierungen sind meist nur
Ausnahmeathleten vorbehalten. Dennoch ist es möglich und sinnvoll,
mentale Stärke und emotionale Fitness zu stärken und somit zu besseren
Ergebnissen bei Training, Wettkampf und behördlichem Waffeneinsatz zu
gelangen. Die vier genannten Techniken sind dabei unverzichtbare Hilfen
für Sportler, Trainer und behördliche Waffenträger. Meditation stellt
eher einen Überbegriff dar und beinhaltet Elemente aus den verschiedenen
Techniken zur mentalen Konditionierung.
Von Dr. Jochen Scopp
Zur Homepage von Limatactics gelangt Ihr
hier.